Meine Geschichte Genderqueer

Meine Geschichte Genderqueer

In den Sommerferien dieses Jahres war ich schon lange am hin und her
überlegen ob ich mir nicht doch die Haare kurz schneiden lassen sollten.
Als ich dann ein Monat lang darüber nachgedacht hatte und eine Hitzeperiode
bevor stand, beschloss ich endgültig das die Haare ab müssen. Kurzer Hand
war ich dann auch beim Friseur ich blätterte dort das Buch über die
Damenhaarschnitte durch, ich war unglücklich nicht das Passende zu finden
und so holte ich mir das Buch für Männer. Schnell war meine Entscheidung
getroffen, doch ich war noch lange nicht an der Reihe. Es kam mir vor, als
würde ich schon Stunden warten. Ich bin rein gegangen mit der festen
Überzeugung,  dass auch durchzuziehen, doch während ich nun da saß und
wartet, wuchs der Zweifel und die Nervosität. Ich fing an zu Zittern und
war kurz davor, aufzuspringen und raus zu rennen. Als ich dann endlich dran
war und alles geklärt war,  waren meine Gefühle zwiegespalten. Als dann
meine Haare ab waren, hat es mich sehr viel an Beherrschung gekostet, nicht
zu weinen. Ich war so unglaublich glücklich, keine langen Haare mehr zu
haben, so dass ich zum ersten Mal seit vielen Jahren es wieder liebte,  in den
Spiegel zu sehen. Wie das im Sommer so ist, bin ich ab und an mit einer
guten Freundin ins Schwimmbad gegangen , dort wurde mir bewusst, dass ich nicht
zufrieden mit meinem Körper war, es war wie ein Messerstich ins Herz, es so
direkt vor Augen zu haben , dass man nun mal ein weiblichen Körper hat. Wäre
meine Freundin nicht da gewesen, wäre ich weinend zusammen gebrochen. Ich
fragte mich, wie kann es sein, dass ich nach 19 Jahren plötzlich mein
Geschlecht hasse? Reichte es denn nicht schon, dass ich lesbisch bin.

Das war mein Beweggrund,  einen Transmann, den ich kenne, anzuschreiben und ihm
zu schildern, wie es mir geht. Er machte mich auf die vielen verschiedenen
Gender aufmerksam. Ich begann,  mich über die von ihm genannten zu
informieren. So recht wusste ich jedoch noch immer nicht, was auf mich
zutrifft. Ich fing an, mich auch mit den anderen sexuellen Ausrichtungen zu
beschäftigen und bemerkt,  dass ich auch da mit meiner Annahme nicht richtig
lag. Ich war vorher am Schwanken, ob ich bi oder lesbisch bin, jetzt ist mir
klar geworden, dass mir das Geschlecht vollkommen gleich ist und sogar
Genderfluid, Transmann/Transfrau, Agender und vieles mehr in Frage kamen.
Dass ich lesbisch bin, weiß mein Umfeld- doch alles andere fällt mir schwer,
ihnen zu sagen. Wenn das Thema Gender aufkommt, allein in der Schule bei
dem Satz ” der Text ist nicht durch gegendert”, doch mal im Ernst ich hab
noch keinen Text in der Schule gelesen, bei dem es jemanden gibt, der sich
nicht zuordnet. Es ist nicht so, dass es ein großes Problem wäre, denn das
Größte erscheint so klein, es fallt mir jedes Mal schwer, die Toiletten in
der Schule oder auch bei Gaststätten aufzusuchen. Ich würde einiges dafür
geben, auf die Jungentoilette zu gehen, doch jeder weiß, was mein
Geburtsgeschlecht ist und man sieht es mir auch an.
Es wäre undenkbar,  dass ich einfach auf mein Herz hören würde,denn ich bin nicht mehr in dem Alter, bei dem das kein Aufstand geben würde. Sicher wäre es eine Lösung, offen mit
den anderen über meine Situation zu reden, doch wie soll das möglich sein
wenn ich direkt in Tränen ausbreche? Ich hab es geschafft, meiner Partnerin
und meinen Freunden zu sagen, wie ich genannt werden möchte und sie geben
sich größte Mühe, sich daran zu halten. Ich bin ihnen sehr dankbar dafür.
Gern würde ich auch mit meinen Eltern darüber reden, doch ich hab versucht, sie zu sensibilisieren, indem ich ihnen Videos und Erklärungen zu diesem
Thema zeigte. Wie schnell sie sich jedoch eine andere Beschäftigung suchten
und das alles mit einem „ JaJa“ abspeisten, zeigte mir, dass ich mit diesem
Anliegen wohl allein klar kommen muss – zumindest bis ich klar sagen kann, als
welches Gender ich mich fühle.
Mir ist bewusst,  dass man sich nicht zuordnen
muss, doch ich will es selbst wissen. Es ist noch komisch bei meinem neuen
Namen genannt zu werden, aber es ist schöner, als bei dem Klang seines
eigentlichen Namens einen Schmerz zu verspüren – genauso wie bei dem kleinem
Wort “sie ” oder auch “meine Tochter”. Ich hoffe einfach, dass ich es schaffe, heraus zu finden, als was ich mich fühle und den Leuten aus meiner Klasse zu
sagen, wie ich heiße und dass ich nicht „sie“ sondern „er” bin, auch wenn ich
mich meist zu nichts der beiden zuordnen will so ist ” er ” und mein neuer
Name doch das was mich glücklich macht.
“Nate”

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